Der Blick von weit oben, die verfremdende Aufsicht auf Städte und Landschaften hat insbesondere Künstler der Moderne inspiriert. Die Futuristen nutzten die dynamisierte Luftperspektive für ihre Aeropittura, eine an der Aviatik orientierten Stilrichtung. Die Sensation der Flugerfahrung prägte auch Kasimir Malewitschs Suprematismus. Die ersten Satellitenbilder in den 1960er-Jahren führten zur erneuten künstlerischen Beschäftigung mit der Vogelperspektive.
Das abstrahierende, die menschliche Figur zum Verschwinden bringende Verfahren der Luftaufzeichnung wurde seit dem 19. Jh. für Kriegsführung und koloniale Eroberung kontinuierlich entwickelt. Mit den unbemannten Drohnen wird diese Technik heute perfektioniert. Paul Virilio hat in diesem Zusammenhang von einer „Ästhetik des Verschwindens“ gesprochen, die Feinde zu anonymen Angriffspunkten reduziert. Auf die ethischen und rechtlichen Probleme dieser neuen Kriegsstrategie hat Grégory Chamayou in der Theorie der Drohne unlängst aufmerksam gemacht.
Die Ausstellung In-Dis-Appearance untersucht Abstraktion in diesem aktuellen Spannungsfeld und fragt, wie der menschliche Körper erneut eingebracht werden könnte. Von Robert Smithsons Auseinandersetzung mit der Luftperspektive inspiriert, setzt sich Florian Schmidt in der Malerei mit dem Ineinandergreifen von zwei- und dreidimensionaler Räumlichkeit auseinander.
Die grossformatigen Videoinstallationen Shadow Sites I und II von Jananne Al-Ani mit Luftaufnahmen vom Wüstengebiet im südlichen Jordanien geben die Landschaft als ästhetisch abstrakte Komposition zu sehen. Die vertikale Perspektive vermittelt so den trügerischen Eindruck von unbesiedeltem Terrain. Diese Bildstrategie wird seit kolonialer Zeit gezielt genutzt, um zweifelhafte Gebietsaneignungen zu legitimieren. Julie Jaffrennous Performance verdeutlicht, wie schwierig es ist, einen tatsächlich vorhandenen Körper im Raum zum Verschwinden zu bringen.
Vernissage: Fr 18.9.2015, ab 19.30 Performance Julie Jaffrennou (Galerie II), 20.00 Artist’s talk Jananne Al-Ani (Kammertheater), 21.30 Party (Foyer)
Ausstellung: Sa 19.9.–24.10.2015 Galerie I und II
Öffentliche Führungen: Do 01.10. u. Do 15.10. 2015, 19 Uhr, Galerie I
Werkgespräch Florian Schmidt, Filmvorführung Robert Smithson, Spiral Jetty, 1970, 30 min: Do 15.10. 2015, 20 Uhr, Kammertheater
Öffnungszeiten: Do/Fr 17–20 Uhr / Sa 14–20 Uhr / So 14–18 Uhr
In-Dis-Appearance, Forms of Appearing and Disappearing in Contemporary Art, Florian Schmidt (Berlin) and Jananne Al-Ani (London), with a Performance by Julie Jaffrennou (Freiburg i.Br.)
Curated by Heidi Brunnschweiler
The view from high up, the distorting oversight of cities and landscapes has particularly inspired artists in the modern period. The Futurists, for example, used the dynamized aerial perspective for their Aeropittura, a painterly style derived from aviation. The sensation of flying deeply influenced Kazimir Malevich’s non-representational art. In the 1960s Robert Smithson engaged with the bird’s eye view anew after he had seen the first satellite images.
The abstracting process of areal recording, which makes the human figure disappear, has been developed for warfare and colonial conquest since the 19th century. With the unmanned drones, as it seems, this technique has reached its perfection today. Paul Virilio has spoken of an „aesthetic of disappearance“ in this context that reduces enemies to anonymous targets on the battleground. This new strategy of warfare has serious ethical and legal implications as the philosopher Grégory Chamayou shows in his Drone Theory.
The exhibition In-Dis-Appearance addresses abstraction within this current tension and asks how the human figure might be re-introduced. Inspired by Robert Smithson, Florian Schmidt deals with the intertwining of the two- and three-dimensional picture space.
In her large-format video installations Shadow Sites I and II with aerial film and photographs shot in the Middle East, Jananne Al-Ani exposes us to the beauty of the abstracted landscape seen from above. She thereby renders the vertical perspective as a deceptive visual strategy to legitimate annexation while giving the impression of surveying an uninhabited territory.
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