• Gegenwartskunst
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Foto: Héloïse Delègue, Spooning Sucks, 2019, Detail, Courtesy of the Artist.

Doppelausstellung: Im Zeitalter der Selbstoptimierung

Héloïse Delègue: Spooning Sucks | Hanako Geierhos: Spirit Bodies

Sa 22.06. | 14:00 Uhr

Ausstellungsdauer: Sa 25.5. – So 30.6.2019

Kuratiert von Heidi Brunnschweiler

Rezension Badische Zeitung: Jenseits aller Selbsttäuschung, von Herbert M. Hurka, Juni 2019

Kulturjoker Rezension von Annette Hoffmann, Juni 2019

Booklet Héloïse Delègue: Spooning Sucks DE / EN

Booklet Hanako Geierhos: Spirit Bodies DE / EN

Wir leben im Zeitalter des illusorischen Individualismus, so lautet die Zeitdiagnose des deutschen Soziologen und Kulturwissenschaftler Andreas Reckwitz. Er hat den Zwang zur Selbstoptimierung als Modell der Lebensführung von heute beschrieben. Viele digitale Technologien, die unsere Alltagswelt bestimmen, versuchen das Innere unserer Person zu entschlüsseln. Datenbasierte Algorithmen analysieren unsere Charaktereigenschaften, Bedürfnisse, Wünsche und Schwächen, um unserer Konsum- und Leistungsverhalten scheinbar zu individualisieren, es dadurch zu optimieren und ökonomisch zu nutzen. Die Frage ist, wie sich Personen und Gesellschaft vor dieser Standardisierung schützen und im Bewusstsein dieser Gefahr Formen des Individuellen und der Vergesellschaftung neu gestalten können. Héloïse Delègue beschäftigt sich in Spooning Sucks mit der Kommerzialisierung des Persönlichen im Hinblick auf die Geschlechterbeziehung. Hanako Geierhos fragt in Spirit Bodies, welche Erfahrungsräume wir brauchen, um uns über unsere Bedürfnisse und unser Zusammenleben auszutauschen.

Héloïse Delègue, Spooning Sucks | Galerie 1

In der Installation Spooning Sucks setzt sich Héloïse Delègue mit der Geschlechterbeziehung der heutigen Generation auseinander. Viele junge Menschen fühlen sich verunsichert und unfähig zur analogen Kontaktaufnahme. Dating Apps oder Online-Partnerbörsen machen aus dieser Not ein Businessmodell. Diese Applikationen vereinheitlichen den Umgang und reduzieren Emotionen auf simplifizierte Symbole wie die Emoijs.
In Spooning Sucks gibt Delègue diesen Ängsten Ausdruck. Ihre Arbeit pendelt zwischen der Idealisierung traditioneller romantischer Ideale, die durch Pop-, Volks- und Filmkultur verewigt werden, und dem Ausbrechen aus diesen Narrativen. Sie versucht mit ihren subjektiven, surrealen und assoziativen Bildern eine eigenständige Sprache zu finden, die sich von den stereotypen Gendercodes unterscheidet.
Vergleichbar den Surrealisten fördert Delègue in ihren Bildern so scheinbar zusammenhangslose Bildassoziationen des Unbewussten an den Tag. Sie kombiniert die Weichheit des Organischen mit typisierten Karikaturen. Man kann Delègues Bilder als materialistische Revolte gegen die Kommerzialisierung der Geschlechterbeziehung verstehen.

Héloise Delègue, *1985, französische Künstlerin, lebt und arbeitet in London.

EN

Héloïse Delègue, Spooning Sucks | Gallery 1
In the age of self-optimization

curated by Heidi Brunnschweiler

Exhibition: Sat, 25th May – Sun, 30th June 2019

We live in the age of illusory individualism that is the diagnosis of the German sociologist and cultural scientist Andreas Reckwitz. He described the compulsion to self-optimization as the model of today’s lifestyle. Many digital technologies, which determine our everyday world, try to decipher the interior of our person. Data-based algorithms analyse needs, desires, character traits and weaknesses in order to seemingly individualise our consumption and performance behaviour, thereby optimising it and using it economically. Confronted with this danger, the question arises how people and society can free themselves from this standardization and shape new forms of the personal and the social.
The exhibitions show two artistic positions dealing with these issues in different ways. In Spooning Sucks, Héloïse Delègue addresses the standardization of emotions and the commercialization of gender relations. In Spirit Bodies, Hanako Geierhos asks what spaces of experience we need to exchange ideas about our needs and our living together.

Héloïse Delègue, Spooning Sucks
In her site-specific installation Spooning Sucks, Héloïse Delègue examines the gender relations of today’s generation. Many young people feel insecure and unable to reach out to the opposite sex in the analogue world. Dating apps or online dating sites turn this distress into a business model. Such devices standardize relations and reduce emotions to simplified symbols such as the emoijs.
In Spooning Sucks Héloïse Delègue finds expressions for this anxieties. Her work oscillates between the idealisation of traditional romantic ideals perpetuated by pop, folk and film culture and the breaking free from those narratives. With subjective, surreal and associative images and narratives she tries to find an independent language that differs from these stereotypical gender codes.
Comparable to the Surrealists, Delègue brings to surface incoherent pictorial associations of the unconscious. She combines sculptural organic form of body parts with schematized symbols. One can understand her textile paintings as a materialist revolt against the commodification of gender relations.

Héloise Delègue, *1985, French artist, lives and works in London.

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Hanako Geierhos, Spirit Bodies | Galerie 2

Hanako Geierhos schafft mit ihren partizipativen Skulpturen Räume. Sie will im und mit dem Raum Kommunikation auslösen und die Grenzen des sozialen Miteinanders ausloten. Sie beschäftigt sich mit der Frage, welche Räume und Orte unsere Gesellschaft braucht, um sich über ihre Verfassung, ihre Anliegen, Probleme und die zukünftige Gestaltung des Gemeinwesens auszutauschen.

Der Soziologe Andreas Reckwitz hat unsere Zeit der Spätmoderne als «Gesellschaft der Singularitäten» bezeichnet. Sie fokussiert auf dem Individuum und seiner Selbstoptimierung, die die Leistungsgesellschaft der liberalen Wirtschaftsordnung verlangt. Dabei gerät die Pflege und Organisation des Gemeinwesens immer mehr aus den Augen. Ohne Solidarität und gemeinsame Werte befürchtet er ein Auseinanderdriften von Gesellschaftsteilen. Die Herausforderung unserer Zeit besteht für ihn deshalb darin, gemeinschaftlich geteilte Werte wieder aufzubauen.
Orte der Kommunikation und der Interaktion der Mitglieder einer Gesellschaft zu schaffen, sind für ihn deshalb im Zeitalter des Singulären essenziell. Es geht darum, wieder allgemeine Werte und Normen in strittiger Weise zu verfassen und auszuhandeln. Ein politisches ‚doing universality’ als Gegengewicht zum allgegenwärtigen ‚doing singularity’ ist gefragt.

Hanako Geierhos gestaltet zunächst flüchtige Handlungs- und Begegnungsräume im öffentlichen Raum mit skulpturalen Elementen. Im Ausstellungsraum werden sie später neu arrangiert und mit Dokumenten aus dem früheren Kontext wie Plakate, Videos oder Bücher kombiniert. Sie versammeln die vergangene Zeit. Die Versuchsanordnungen verändern sich im Laufe der Zeit und verschieben unsere Wahrnehmung. Als minimale Skulpturen sind Geierhos Interventionen von ästhetischer Qualität und streben nach Klarheit und Logik. Gleichzeitig sind sie funktional und können z.B. als Sitzmöbel benutzt werden. Ihre haptische Qualität lädt zur Interaktion ein. Wie Lygia Clarks Objecto Sensoriales versteht Geierhos ihre Versuchsanordnungen als lebendige Organismen, die ihre Gestalt und Bedeutung durch die Interaktion mit den Benutzenden bzw. Betrachtenden erhalten.

In Freiburg widmet Hanako Geierhos ihre Installation dem japanischen Raumkonzept „Ma“. „Ma“ meint keine geschlossene dreidimensionale Einheit, sondern ein Bewusstsein für einen Ort als Platz der zentralen Aktivität, so wie es Hans Scharoun beschrieben hat. „Ma“ nimmt Form an in der Vorstellung des Menschen, der Raum erfährt. „Ma“ ist für Geierhos ein Erfahrungsraum, ein „experiential place“.

Hanako Geierhos, *1974 Hamburg, lebt und arbeitet in Berlin.

EN

Hanako Geierhos, Spirit Bodies
In the age of self-optimization

curated by Heidi Brunnschweiler

Exhibition: Sat, 25th May – Sun, 30th June 2019

With her participative sculptures Hanako Geierhos creates spaces. In and with these spaces she wants to initiate communication and explore the limits of social interaction. She deals with the question of which spaces and places our society needs in order to enhance people to exchange their concerns, problems and the future shaping of community.

The sociologist Andreas Reckwitz has described our time of late modernism as a „society of singularities“. It focuses on the individual and his self-optimization, which the achievement-oriented society of the liberal economic order demands. In this process, the care for the community and its organisation gets increasingly out of view. Without solidarity and common values, he fears that parts of society will drift apart. The challenge of our time is the rebuilding of shared values through negotiation and debates. Creating places of communication and interaction between the members of a society is essential in the age the individual. A political ‚doing universality‘ as a counterweight to the omnipresent ‚doing singularity‘ is in demand.

Hanako Geierhos initially designs transitory spaces for action and encounter in public spaces with sculptural elements. In the exhibition the artists rearranges these elements and combines them with documents from earlier contexts such as posters, videos or books. These situations assemble past times. The experimental arrangements change in the course of time and shift our perception.

As minimal sculptures, Geierhos’ interventions are of aesthetic quality and strive for clarity and logic. At the same time they are functional and can be used for exemple as seating furniture. Their haptic quality invites interaction. Like Lygia Clark’s Objecto Sensoriales, Geierhos understands her arrangements as living organisms that gain their shape and meaning through the interaction with the user or observer.
In Freiburg Hanako Geierhos dedicates her installation to the Japanese spatial concept of „Ma“. „Ma“ does not mean a closed three-dimensional unit, but an awareness of a place as a place of central activity, as Hans Scharoun described it. „Ma“ takes shape in the imagination of the human being who experiences the space. For Geierhos, „Ma“ is a space of experience, an „experiential place“.

Hanako Geierhos, *1974 Hamburg, lives and works in Berlin.

Veranstaltungen:

Vernissage: Fr 24. Mai | 19:00 Uhr
19:30 Uhr | Foyer

ma_CONVERSATIONS | Sa 25. Mai | Mo 27. Mai | Mi 29. Mai 2019
Jeweils 19:00 Uhr | mit Hanako Geierhos | Galerie 2

Sa. 25 Mai 2019: ma_CONVERSATIONS#01 | bridging entities, lecture performance

Mo. 27. Mai 2019: ma_CONVERSATIONS#02 | transcultural space, language and spirituality

Mi. 29. Mai 2019: ma_CONVERSATIONS#03 | inner and outer spaces of perception

Late Night Reading: Sa 29. Juni | 21 Uhr
Mit Héloïse Delègue u.a. | Galerie 1

Führungen: So 2. Juni | So 30. Juni | Treffpunkt 16 Uhr | Galerie 1

Eintritt frei
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Öffnungszeiten Galerie 1 & 2
Do-Fr 17-20 Uhr | Sa 14-20 Uhr | So 14-18 Uhr

Eintritt FREI
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